Achtung: Triggerwarnung…..wenn du dich hier stark wiederfindest, bitte ich dich von Herzen um Unterstützung zu bitten. Möglichkeiten findest du unten.
Die Challenge #meinjunimitmir und die Vorstellungsrunde zum Einstieg passen auch perfekt dazu, weiter mit meiner Artikel-Serie zu machen, um dir zu erzählen, wie ich überhaupt die geworden bin, die sich nun die alltagsfeierin nennt.
Gestartet habe ich im Jahr 2010, um dich in einen gewöhnlichen Tag von mir mitzunehmen und ich weiß, dass es unendlich viele Frauen gibt, die auch solche Höchstleistungen vollbringen.
Zwei Jahre später
Jetzt springen wir mal zwei Jahre weiter. Es ist das Jahr 2012 und mein psychischer Zustand hat sich verschlechtert und die Belastungen haben sich noch gesteigert.
Gerade beruflich wurde es damals im Büro schwieriger und schwieriger. Innerhalb der letzten zwei Jahre hatte ich fünf verschiedene Chefs, die sehr schnell wieder das Weite gesucht haben, als sie feststellten, was da hinter den Kulissen so stattfand.
Immer wieder auf neue Vorgesetzte einstellen, die dann doch wieder weg waren. Schwierige Fälle schildern und auf Unterstützung hoffen, um doch wieder allein dazustehen. Langsam an den Punkt kommen, an dem man alles persönlich nimmt, weil das Schutzschild löchrig wie ein Schweizer Käse ist. Die Interims-Mitarbeiterin, die quasi der Buddy ist, muss nach einem Jahr das Haus wieder verlassen….allein, allein…..
Zu Hause
Dazu noch die steigenden Herausforderungen zu Hause: Zwillingsmädchen, bei denen es wichtig war, sie individuell zu fördern, um so das ständige Vergleichen untereinander auszubremsen. Das Fräulein Alltagsfeierin, das aufs Gymnasium gewechselt hatte und ich als Mama damals meinte, sie 24/7 unterstützen zu müssen. Übersetzt hieß das: dreimal unterschiedliche Sportarten, Instrumente, die gelernt werden wollten, kollidierende Elternabende, gemeinsame Lerneinheiten am Wochenende bzw. eigentlich täglich und vieles mehr.
Der Göga noch immer oft auf Geschäftsreisen, und ganz nach #murphyslaw besonders dann, wenn auch noch Sommerfeste, Vorspiele der Musikschulen oder ähnliches zu rocken waren.
Perfekt wollte ich alles geschafft bekommen, überall meine Pflichten erfüllen, denn ich wollte mir nicht vorwerfen lassen, dass ich mich quasi damit entschuldige, dass ich keine Zeit habe und ständig über meine Belastungsgrenze ging.
„Du hast das doch so gewollt!“
War es doch unsere Wahl unseres Lebens, drei Kindern knapp hintereinander das Leben zu schenken, ein Haus gebaut zu haben und deshalb viel arbeiten zu müssen.
Ich war wirklich der Meinung, noch härter, noch länger, noch konsequenter würden reichen, immer weiter leisten zu können.
Dann kam unser gemeinsamer Urlaub am Bodensee mit einer befreundeten Familie und schon das Packen hatte mich meine letzte Energie gekostet. Wir hatten Glück mit dem Wetter, die Mädels hatten viel Spaß und wir Eltern konnten die Zeit doch hauptsächlich damit zubringen, einfach nur am Strand zu liegen, zu relaxen und eigentlich aufzutanken.
Summertime Sadness
Ich habe mich hinter Büchern verschanzt und Musik (Summertime Sadness ist das Lied, das ich mir in Dauerschleife anhörte) gehört und mir quasi selbst dabei zugesehen, wie ich statt dass ich erholter wurde , immer mehr abgerutscht bin und eine schier unendliche Traurigkeit und Verzweiflung fühlte, die mich immer mehr in ein schwarzes Loch zog.
Sprechen konnte ich darüber nicht, lieber wieder die Maske aufsetzen und lächeln…….hey, es ist doch Urlaub!
Mein Mann erkrankte mitten während dieser Reise an einer sehr heftigen Mittelohrentzündung und so wurde der Urlaub dann entsprechend in eine andere Richtung gelenkt: schlaflose Nächte, Arztbesuche, die Kinder beschäftigen und hoffen, dass die Antibiotika wirken……meine Befindlichkeit habe ich verdrängt – funktionieren – funktionieren – funktionieren ……
Wieder zu Hause habe ich mich an das Beseitigen der Wäscheberge gemacht. Waschen, trocknen, bügeln im Akkord über zwei oder drei Tage….
Anschließend habe ich mich ins Bett gelegt, habe aufgehört zu reden und nur noch geweint…….
ICH KONNTE NICHT MEHR!
In meinem Kopf tobte derweil ein innerer Kritiker, der mich mit Gedanken in den Wahnsinn treiben wollte, in einer nie enden wollender Dauerbeschallung, deshalb konnte ich auch nur noch kurze Worte äußern, mehr ging nicht mehr.
Meine Familie wusste nicht mehr ein noch aus und ich habe mir die Decke über den Kopf gezogen und weitergeweint….
Das Essen war mir auch nicht mehr möglich, ich wollte nur noch ein Loch, in dem ich verschwinden konnte. Denn das Problem war ja ich!!!!
Ich hatte versagt und war nun die schlechteste Mutter der Welt! Fiel meiner Familie zur Last und stellte mich an!
Klinik?!? Bei dem Wort wurde ich panisch. Psychologe!?! Woher sollte er/sie denn so schnell kommen? Was dann mit den Kindern, was mit dem Job und die nächste Geschäftsreise des Gögas war doch auch schon wieder geplant!
Ärzte, denen ich Vertrauen schenkte, gab es damals auch nicht.
Also habe ich meine letzten Worte zusammengekratzt, meinem Mann und einer damaligen Freundin versucht zu erklären, was los ist und ihnen zu versprechen, dass ich, weil ich ihre Angebote alle abgelehnt hatte, mich vernünftig verhalten werde, mir meiner Verantwortlichkeit meiner Kinder bewusst bin und ich nichts machen werde, was alle ins Unglück stürzen wird.
Was ich verspreche, halte ich!
Also griff ich wieder nach meiner Maske, rückte diese auf meinem Gesicht zurecht und bin aufgestanden. Unendlich kraftloser als vorher, noch verzweifelter, aber mir meiner Verantwortung bewusst, dass dieser dreitägige Aussetzer nun nicht zur Regel werden dürfte.
Das war am Freitag – montags bin ich wieder in mein Büro gefahren…..
Hier stoppe ich für heute……nicht um die Spannung aufrecht zu erhalten, sondern weil das wohl mein absoluter Tiefpunkt war……der wiederum aber auch etwas ins Rollen gebracht hat…….
Denn trotz dieser Verzweiflung haben Ministeps stattgefunden: die ersten Telefonate bezüglich eines Termins bei einem Psychologen wurden geführt……
Gut war gar nichts und trotzdem fing in diesem September 2012 meine Transformation an.
Zu akzeptieren, dass ich ernsthaft erkrankt war, dass ich bei weitem viel mehr Hilfe und Unterstützung brauchen werden würde und wie es dazu kam, darum wird es im Teil drei gehen, der mit Februar 2013 anfangen wird.
Ich wünsche dir eine gute Wochenmitte.
Wenn du dich hier stark wiederfindest, rate ich dir von Herzen eine der folgenden Nummern zu kontaktieren, hier gilt – lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig:
Bundesweite Hilfs- bzw. Beratungsangebote für akute Krisensituationen:
Ärztlicher Bereitschaftsdienst (Notarzt): Tel. 116 117.
24 Stunden Bereitschaftsdienst, Hausbesuche. Der Allgemeinarzt kann vor Ort Medikamente geben und falls nötig, die Einweisung in eine Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie veranlassen. www.kbv.de
Telefonseelsorge: Tel. 0800 – 111 0111 oder 0800 – 1110222
Anonyme, kostenfreie Beratung zu jeder Tages- und Nachtzeit: www.telefonseelsorge.de
Kinder- und Jugendtelefon “Nummer gegen Kummer”: Tel. 0800 – 111 0333
Anonyme, kostenfreie (erscheint nicht auf der Telefonrechnung) Beratung von Montag bis Samstag von 14.00 bis 20.00 Uhr, Online-Beratung per E-Mail möglich. Elterntelefon Tel. 0800 – 111 0 550. www.nummergegenkummer.de
(Quelle: https://www.br.de/radio/bayern2/psychischer-notfall-hilfe-bei-seelischen-krisen-100.html)
Liebe Grüße
Hallo liebe Bettina,
ich finde es wahnsinnig mutig, dass du hier deine Erfahrungen teilst. Ich war beim Lesen zu tiefst ergriffen.
Bei mir gab es auch ganz oft Zeiten, in denen ich meine Belastungsgrenze erreicht und überschritten habe – und ab und zu gibt es die immer noch. Ehefrau, Mama, Tochter, Enkeltochter, Freundin sein, Elternabende, ehrenamtliche Tätigkeiten, Job, Backen für jede Veranstaltung, Mamtaxi… Ich wollte immer perfekt sein, weil mir alle anderen so perfekt erschienen. Zum Glück habe ich mittlerweile gelernt, dass es bei mir eben nicht immer perfekt ist und auch nicht sein muss.
Auch jetzt gerade steht mal wieder der Wäscheständer neben dem Fernseher, die Bügelwäsche liegt neben mir auf dem Sofa… Aber hey, ich bin nur ein Mensch. Der Tag hat bei mir nicht genug Stunden, um das alles perfekt hinzukriegen. Keine Ahnung, wie andere das machen. Ich möchte das auch gar nicht mehr wissen. Denn das Vergleichen tut nicht gut. Deshalb habe ich meinen eigenen und für mich richtigen Weg gefunden. Ich kann annehmen, dass auch mal Unordnung herrscht. Lade ich Gäste ein, bringt jeder etwas mit, damit ich nicht alles vorbereiten muss. Ist es zu chaotisch, schicke ich Mann und Kinder auf einen Ausflug und nehme mir richtig Zeit zum Aufräumen, ohne Ablekung.
Wird mir ein Termin zu stressig, sage ich ihn auch mal ab ganz – ohne schlechtes Gewissen.
Aber ich kenne eben auch andere Zeiten, in denen der Pulsschlag sich nicht mehr beruhigt, einen eine innere Unruhe erfasst und das schlechte Gewissen sich meldet, weil man nicht alles geschafft hat.
Zum Glück, habe ich das immer gemerkt und gegengelenkt.
Ich kann mir trotzdem ein klein wenig vorstellen, wie es sich anfühlen muss, wenn man nicht mehr alleine aus diesem Loch herauskommt.
Depressionen sind bestimmt schwer zu erkennen und werden oft nicht gleich wahrgenommen, weder von einem selbst noch von anderen. Und es ist eine Krankheit, die oft belächelt wird. Sie ist nicht auf den ersten Blick sichtbar und lässt sich gut verstecken.
Um so mehr finde ich es sehr mutig, wie offen du mittlerweile mit der Krankheit und deinen Erfahrungen damit umgehen kannst, wie du deinen Alltag neu organisiert hast, wie du den Alltag feierst mit all seinen Facetten und wie ehrlich du bist.
Ich wünsche mir, dass du mit deinem Beitrag Frauen da draußen erreichst, die sich bislang nicht getraut haben, sich fremde Hilfe zu holen.
Denn sich Hilfe zu holen ist keine Schwäche.
In diesem Sinne, danke für deine Offenheit, deinen Mut, dank dir dafür, dass du so bist wie du bist.
Liebe Grüße, Melanie
Liebe Melanie,
ich danke dir für deine Antwort und genau das habe ich im Sinn, Frauen erreichen und unterstützen, dass sie gar nicht perfekt sein müssen, dass sie das Leben feiern dürfen und zwar perfekt umperfekt. Für Frauen, die an einer Depression erkrankt sind ist mein Artikel vielleicht hilfreich um ihnen die Augen zu öffnen und dazu, dass sie den ersten Schritt machen. Denn wenn man in diesem schwarzen Loch sitzt, dann braucht man professionelle Hilfe und darum bitte ich dann die Frauen auch immer, die mit mir in Kontakt treten.
Das kann kein Blogartikel oder Coach alleine leisten und das wäre auch äußerst gefährlich.
Ich hoffe natürlich auch, dass es bei vielen gar nicht so weit kommen muss, das sie rechtzeitig dagegensteuern und dann sich selbst als wichtigste Person im Leben wahrnehmen und an die erste Stelle setzen, damit sie auch gut für alle anderen sorgen können.
Schön, dass du da bist und das du so gut mit dir umgehst um deinen Alltags-Rock’n’Roll pusteblumenleicht zu zelebrieren.
Samstagsfeierliche Grüße
Bettina
Liebe Bettina,
vielen Dank, dass Du Deine so persönliche Geschichte mit uns teilst.
Es geht bestimmt ganz vielen so oder so ähnlich. Und auch ich habe solche Situationen hinter mir, man hat einfach keine Kraft, sich Hilfe zu suchen, die so nötig wäre.
Du bist Deinen Weg gegangen und aus Dir ist inzwischen die Alltagsfeierin geworden. Ich bin schon gespannt auf den nächsten Teil Deiner Geschichte.
Liebe Grüße
Melanie
Danke Melanie, schön, dass es dich gibt!
Liebe Bettina,
Vielen Dank für deine Geschichte. Ich war schon von Teil 1 beeindruckt und hatte dies auch in einem Kommentar geschrieben. Dieser ist leider beim Blog Umzug verschwunden. Durch Frl. Ordnung bin ich vor ein paar Jahren auf dich aufmerksam geworden und lese seitdem regelmäßig vorbei. So offen wie du konnte ich noch nie über meine Depression reden. Das bewundere ich sehr an dir. Ansonsten sehe ich viele Parallelen, denn mein Kritiker kann ich auch schlecht ins abseits stellen. Ich bin gespannt auf deinen 3. Teil. Liebe Grüße aus der Pfalz und bleibe so wie du bist
Brigitte
Liebe Brigitte
Anders als du knalle ich jedem meine Krankheit vor den Kopf, ich berichte sehr früh, dass ich nach überstehen einer ersten Depression schlagartig einen schweren Rückfall hatte als mein Mann mich verließ. Zum Glück war ich schon einmal durch Krankheit und Therapie gegangen, so dass ich gleich wusste *ich brauche Hilfe* und auch den Weg dahin kannte. In der psychiatrischen Klinik habe ich viele leugnende oder sich schämende Mitpatienten erlebt – wir sind so viele, wir sind krank, schreit es raus, zeigt fast jeder kann erkranken und man kann gesund werden, braucht dazu eine gute Therapie und Geduld und Durchhaltevermögen. Ich werde es auch wieder schaffen gute Phasen zu haben. Alles Gute
Editha
Hallo Editha,
über mein Auf und Ab wird es dann in den nächsten zweit Artikeln gehen. Ich finde es gut, dass du dich für die offene Art entschlossen hast.
Ja, es stimmt es findet auch ein großes Verleugnen statt, ein Nicht-Wahrhaben-Wollen und auch sich dafür zu schämen. Das ist wohl vor allem der Fall, wenn man es nicht als Krankheit annimmt.
Ich glaube fest daran, dass du wieder zu deinen guten Phasen zurückfindest und die Unterstützung bekommst, die du brauchst.
Liebe Grüße
Bettina
Liebe Bettina,
danke, dass Du Deine Geschichte weiter erzählst.
Liebe Grüße
Katrin
Liebe Bettina,
mir sind beim Lesen deiner Worte wirklich die Tränen gekommen. Was hast du ausgehalten! Für dich, deine Lieben und die ‚Anderen‘. Ich weiß, was dem Druck zu genügen und den vermeintlichen Ansprüchen mit einem machen kann. Allerdings in einer wirklich abgeschwächtesten Version.
Aber: Was deine Geschichte jetzt schon leuchten lässt, ist zu wissen, dass du ganz offenbar einen harten, aber guten Weg gegangen bist und dich dabei getroffen hast.
Ich erwarte mit Gänsehaut Teil3 und bin sehr ergriffen, dass du das mit uns teilst.
Denn ich glaube, dass es deine Geschichte auch heute gibt und wenn du jemandem die Augen öffnen kannst und ihm so hilfst, wäre das so wunderbar.
Ich freue mich jedenfalls, dass du hier bist.
Sei lieb gegrüßt, ich feiere dich
Nicole
Hallo Nicole,
von Herzen vielen Dank. Meine Geschichte habe ich in Auszügen schon immer mal wieder erzählt. Gut verteilt und oft auch nur mit den Szenen, die bei der jeweiligen Seelensache relevant waren. Als ich im Januar mein Re-Branding gestartet habe, bin ich auf viele Fragen gestoßen, die mich nochmals in diese Jahre zurückversetzt haben. Vielleicht kennst du das auch, weil du ja auch blogst: die Frage nach dem WARUM.
Inzwischen kann ich das Warum auch in einen ganz kurzen Abschnitt wiedergeben, aber ich denke hier ist es EINMAL wichtig chronologisch alles zusammenzutragen, damit Menschen, die sich irgendwie darin wiederfinden, vielleicht so eine Möglichkeit bekommen, früher die Reißleine zu ziehen, als das bei mir der Fall war.
Denn auch die abgeschwächte Version, von der du schreibst ist belastend und ich hoffe so sehr, dass jede Frau sich vom Druck befreit, um Erwartungen zu erfüllen, die gar nicht die ihren sind.
Schön, dass du mich dabei begleitest.
Liebe Grüße
Bettina
Stell Dir hier ein ganz großes Herz vor. Für Dich und für uns alle, die sich so lange zurücknehmen, bis sie nicht mehr anders können.
Danke dafür, dass Du hier so offen mit der Situation damals umgehst. Du wirst vielen Menschen damit helfen, sich auch helfen zu lassen.
Ich bin so froh, dass wir uns kennen. Dankbar…!
Und wenn uns auch die Rahmenbedingungen „trennen“, vereint uns doch so viel. Schwestern im Geiste und vor allem im Herzen.
Ich hab Dich lieb und freue mich darüber ❤️.
Hallo Süße,
ich danke dir von Herzen.
Liebe Grüße
Bettina, die gerade richtig ohne Worte ist (im positiven Sinn!)