Seelensachen Nr. 37 * Bye, bye Papa *

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Seelensachen Nr. 37 * Bye, bye Papa *

Meine Ursprungsfamilie ist ein richtig großes Durcheinander. Meine Eltern haben sich getrennt als ich gerade 18 geworden war und somit war mein Vater aus meiner Sicht länger mit seiner Lebensgefährtin zusammen als mit meiner Mutter.

Aber aus diesen 18 Jahren fehlen der neuen Familie meines Vaters die Informationen, die sie für den Trauerredner brauchen. Also bin ich hier jetzt dran und auch wenn es mir unendlich schwerfällt, gerade überhaupt irgendetwas zu tun, versuche ich es…….

Wie definiert man Beziehung?

Wenn ich an meinen Vater denke oder wenn ich unsere Beziehung beschreiben soll, finde ich den Einstieg dahin immer schwierig. Was für eine Verbindung hatten wir, hatten wir überhaupt eine? Was weiß ich, was für ein Mensch er war, kenne ich seine Ursprünge und weiß ich, was ihn bewegt hat? Im ersten Moment denke ich nein, denn bei uns ist das immer auf einer ganz anderen Ebene abgelaufen.

Ich empfand ihn als sehr verschlossen, kein Mann der großen Worte und zum Äußern von Gefühlen, gerade in meiner Kindheit, gar nicht so fähig.

Dazu noch der Schichtdienst als Schriftsetzer und später dann als Texterfasser bei der Zeitung,  was  der Grund dafür war, dass er oft schon weg war, wenn ich morgens in die Schule gegangen bin, oder gerade das Haus verließ, wenn ich aus der Schule kam.

Auch das Arbeiten am Sonntag war anders als bei anderen Familien, so dass es irgendwie oft ein Leben nebeneinander her war.

Erinnerungen

Wenn ich aber dann mehr nachdenke und nach Erinnerungen krame, bin ich überrascht, was da so alles auftaucht.

Ich erinnere mich an Urlaub auf Mallorca oder in Rumänien, in denen er ganz viele Sandburgen mit mir gebaut hat. Wasser und Sonne, das waren seine Elemente und auch schwimmen gegangen ist er gerne.

Wir haben zusammen Fernsehen gesehen: Raumschiff Enterprise, die allerersten Folgen, bei denen quasi das Raumschiff an einem Faden hängend durchs Bild getragen wurde….

Gemeinsam waren wir auch im Kino: „Momo“ und “ Ronja Räubertochter“ hat er mit mir zusammen geguckt und später „Zurück in die Zukunft“ und „Police Academy“, gerade solche Slapstickfilme, an die ich jetzt so gar nicht mehr ran kann.

Ich erinnere mich, dass er immer sehr gestresst war, wenn meine Mutter mal wieder etwas im Haus umbauen wollte und dass er das dann zwar gemacht hat, aber aus tiefstem Herzen verabscheute…. – das haben wir alle mitbekommen ;-)))))).

Fotografieren

Auch an seine Dunkelkammer erinnere mich, denn gerade als ich noch ganz klein war, hat er das analoge Fotografieren geliebt und seine Bilder auch selbst entwickelt

„Immer diese Blumenfotografiererei!“, habe ich gedacht und war davon auch wirklich dezent gelangweilt…..Jetzt mache ich genau das ;-))))), schon ein wenig seltsam……

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Begeistern konnte er sich auch für alles rund ums Thema „Computer“, seine Vorträge dazu legendär und ich habe mich immer nur hingesetzt, zugehört und versucht, an den richtigen Stellen zu nicken, denn verstanden habe ich davon so gar nichts…….

Einmal war ich krank. Ich habe hoch gefiebert und normalerweise war für die Krankenpflege meine Mutter die zuständige Person.

Sie war allerdings nicht zu Hause und deshalb hat er es dann übernommen: so lag ich dann mit nassen Socken, seiner Interpretation von Wadenwickeln, und einem Stirnband aus ebenso nassen Socken (ja, sie waren frisch gewaschen!) in meinem Bett, habe vor mich hingefiebert und trotzdem seine Liebe gespürt……..ohne Worte, so wie eigentlich immer.

Auch das Tanzen und Laufen war ihm wichtig und das sind zwei Dinge, die mir genauso gehen:  beim Tanzen und Laufen konnte er gut abschalten und oft hatte ich auch das Gefühl, dass er da so versucht hat, dem einen oder anderen Problem „davonzulaufen“.

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Die „neue“ Familie

Dann kam die Trennung und als ich das erste Mal seine „neue“ Familie kennengelernt habe, habe ich gemerkt, wie Beziehung zwischen zwei Menschen sein kann. Ganz anders als bei meinen Eltern und genau das, was mein Vater gebraucht hat.

Mit der Zeit wurde er ein wenig offener und so bekam ich von ihm mit Anfang zwanzig meine erste Umarmung.

Ich muss zugeben, das war wirklich mehr als komisch und ich habe einige Jahre gebraucht, bis sich das für mich „normal“ angefühlt hat.

Wir haben uns nicht sehr oft gesehen, denn ums Eck wohnen wir nun mal nicht, aber wir haben uns meistens zu den Familiengeburtstagen getroffen und auch als ich krank und in der Klinik war, haben er und seine Frau meine Familie bei der Kinderbetreuung unterstützt.

Ich erinnere mich an dieses entspannte Brunchen, das – als die Kinder noch klein waren – ganz oft in Spielerunden am Esstisch geendet haben: Lügen-Mäxle oder andere Spiele, da waren Opa und Oma immer dafür zu begeistern.

Abschied nehmen

Gerade die letzten Wochen haben gezeigt, dass wir eine Familie sind, ohne blutsverwandt zu sein. Wir als Familie haben versucht das zu tun, was wir können: da sein und ihn begleiten und das, obwohl er erst einmal alles am liebsten verleugnen wollte und auch nicht wollte, dass man (in diesem Fall ich) darüber kommuniziert und schreibt.

Keine Besuche, kein Begleiten, so lautete zuerst sein Wunsch, das hat sich aber ganz schnell geändert bzw. wir haben alle gespürt, dass wir uns in diesem Fall darüber hinwegsetzen mussten.

Genau das war dann auch das Richtige und so habe ich in diesen Wochen auch das erste Mal so einiges von ihm gesagt bekommen, was ich immer gehofft, aber nie erlebt hatte: „Schön, dass ihr/du da seid!“

Die Liebe zwischen ihm und seiner jetzigen Frau und den Zusammenhalt in der Familie, der zwar nicht auf einem Dokument bestätigt ist, aber deshalb wohl auch um so deutlicher spürbar war.

Deshalb bin ich gefahren, immer mehrere Stunden bis nach Thüringen, erst seine Frau einsammeln und dann gemeinsam weiter: zum Handhalten, zum Reden und später, als er nicht mehr sprechen konnte, zum Lesen in seinen Augen.  Lange haben wir uns einfach nur angesehen….so lange wie noch nie….

Auch meine Familie war da, immer im Hintergrund und doch an der Seite von meinem Papa und mir.

Als er dann schon beatmet wurde und trotzdem sprechen wollte, er, der sonst nicht wirklich gesprochen hat, da hat es mir schon sehr das Herz zerrissen. Auch durften wir an diesem letzten wachen Tag nicht gehen. Vehement hat er mit dem Kopf geschüttelt und so sind wir geblieben, bis es für ihn okay war.

Dass es dann für mich das letzte Mal sein würde, ihn zu sehen, das wusste ich nicht. Ich spürte aber, dass ich mit dem Abschiednehmen beginnen musste….

Ob ich ihn und seine Blicke richtig verstanden habe, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass ich sagen kann: „Hab dich lieb, Papa. Mach’s gut und gib jetzt gut auf uns acht! Bis irgendwann!“

P. S. Aus gegebenen Anlass gibt es diese Woche keinen aktuellen Speiseplan, da ich das Freebie aber schon länger vorbereitet hatte, findest die den Wochenplan zum Ausdrucken hier.

Merk's dir für später!
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8 Kommentare

  1. Conny Schneider

    Liebe Bettina,
    mit Tränen in den Augen habe ich deine Zeilen gelesen . Danke, dass du dies mit uns teilst. Ich drück dich ganz doll.

    LG Conny

  2. Hallo Bettina! Diese Seelensache habe ich auch nicht ohne Tränen lesen können. Du hast wunderbare Worte und Formulierungen gefunden, die mich sehr bewegt haben und viele Erinnerungen wachgerüttelt haben. Ich bin mir sicher, dass dein Papa dir beim Schreiben dankbar und stolz über die Schulter geguckt hat. Ganz liebe Grüße, Heike

  3. Liebe Bettina,

    viel kann ich nicht dazu schreiben. Weil mir die Tränen kullern.
    So ähnlich war es zwischen meinem Papa und mir auch. Nur das er die letzten Minuten, schon mit kleiner Atemmaske auf mich gewartet habe. Auch nach 12 Jahren weiss ich nicht, wie ich von Zuhause ins Krankenhaus kam. Ich weiss nur noch, das ich ich losgefahren bin und im Krankhaus ankam und vielleicht wertvolle 5 Minuten hatte. Ich weiss es nicht mehr, wieviel Zeit es war. Die Zeit war einfach zwischen uns und dem letzten Atemzug stehen geblieben.

    Ich drücke Dich ganz ganz fest.

    Liebe Grüße
    Elke

  4. Marion (Unterfreundenblog)

    Liebe Bettina,
    jetzt laufen mir auch die Tränen …
    Was für eine schwere Zeit. Ich bin mit Dir traurig und wünsche Dir von Herzen ganz viel Kraft.
    Alles Liebe, fühl‘ Dich fest umarmt.
    Marion

  5. Liebe Bettina,
    Wunderschöne Worte und doch so traurig.Ich wünsche dir/euch viel Kraft! Ich hatte tränen in den Augen.
    Fühl dich unbekannter Weise umarmt!
    Alles liebe,
    Steffi

  6. Briganti

    Mit Tränen in den Augen sage ich Danke, dass du das mit und teilst.

  7. Ingrid Kleinlugtenbeld

    Achje Bettina. Da hast du ja schwere Wochen hinter Dir, die man in Deinen Instaposts gar nicht merkte… Du hast diese „Seelensache“ so schön geschrieben, mir laufen Tränen über die Wangen… Ich wünsche Dir bzw. Euch alles Liebe und hoffe sehr, dass Eure Trauer bald zur liebevollen Erinnerung wird… einige schöne Erinnerungen hast Du ja hier schon mit uns geteilt. Viele Grüße, Ingrid

    • Liebe Ingrid,

      danke für deinen Kommentar. Mein Vater wollte es nicht kommuniziert haben, so dass ich mich daran gehalten habe, obwohl es mir mehr als schwer gefallen ist. Ich habe einfach versucht noch immer das Positive in all dem Schwierigen zu sehen und so durch die Tage zu kommen. Vieles musste ich „weglassen“, aber hier hat einfach sein Wunsch an erster Stelle gestanden. Ich wünsche dir einen schönen Sonntag.

      Liebe Grüße

      Bettina

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