Herbstzeit. Kuschelzeit. Sybille Herold

Gastartikel Sybille Herold. Herbstzeit. Kuschelzeit, diealltagsfeierin.de

Ich bin wieder inhäusig.

Die Regentropfen trommeln auf das Dachfenster.

Ich genieße es, gerade nicht draußen zu sein, will man doch bei diesem Wetter nicht einmal einen Hund vor die Tür jagen.

Ich sitze an meinem Lieblingsplatz. Schaue aus dem Fenster. Bewundere die Herbstfarben. Das Tropfenwettrennen. Oder das besondere Licht, wenn die Sonne sich durch den Herbstnebel kämpfen muss.

Herbstzeit. Kuschelzeit. Sybille Herold diealltagsfeierin.de

Fotocredit: Sybille

Mir ist kühl. Die Heizung stellen wir immer erst relativ spät an. Ob meine Decke heute reicht?

Herbstzeit – Kuschelzeit?

Und wenn man – wie die meisten meiner Freundinnen entweder solo lebt oder mit einem Mann, mit dem man schon jahrelang nicht mehr an Kuscheln gedacht hat?

Wenn Menschen – sozusagen – schon auf den Hund gekommen sind, gibt es vierbeinige Freunde, die zumindest den Schoß wärmen. Welche Wonne, durch ihr Fell zu streichen!

Wenn Frauen – präsente – Großmütter sein dürfen (bei etlichen wohnen die Enkelkinder zu weit entfernt für regelmäßige Kontakte.), gibt es Enkelkinder zum Kuscheln. Selbst wenn zum Glück die Zeit der feuchten Omazwangsküsse längst vorbei ist: Die meisten jüngeren Kinder kuscheln gern, beispielsweise beim Vorlesen, Geschichten Erzählen und Einschlafen.

Junge Eltern möchten heute zwar nicht selten, dass es Omazärtlichkeiten nur gibt, wenn die Kinder sie von sich aus einfordern. Ich denke, dass Kinder ruhig lernen dürfen, dass auch andere Menschen wie Großeltern Bedürfnisse und Wünsche haben, z.B. nach zärtlicher Berührung. Die sie äußern dürfen. – Selbstverständlich ohne eine Verpflichtung für andere Menschen (-kinder), diese befriedigen bzw. erfüllen zu müssen.

Herbstzeit – Kuschelzeit!

Zeit, es sich so richtig gemütlich zu machen. Mit einem Tee, Kakao oder Kaffee. Mit Kerzenschein. Lieblingsmusik. Einem guten Buch. Einer Kuscheldecke oder dem Kirschkernkissen im Schoß. Kuschelsocken. Hygge halt, wie die Skandinavier es nennen und zelebrieren.

Kuscheln kann man hingegen nicht mit sich selbst. Kann man nicht?

Als ich einmal vom Stricken ein Überbein an der rechten Hand hatte, las ich, massieren würde helfen. Bis heute blieb die Angewohnheit, mit der einen Hand die andere leicht zu massieren. Mit oder ohne meine Lieblingshandcreme. Irgendwie auch ein Streicheln.

In einem Selbstfürsorgekurs zeigte uns Rosemarie eine kurze Morgenmassage beim Eincremen des Gesichtes. Ich entdeckte: Wenn ich mich wirklich darauf konzentriere, mir selbst freundlich dabei in die Augen schaue, am Ende mein Gesicht in meine Hände nehme und mir einen guten Tag wünsche, fühlt sich der Start in den Morgen gleich etwas angenehmer an. Das gleiche am Abend, mit einem Wunsch zur guten Nacht und der Frage an mich, wofür ich heute dankbar sein möchte: den Frieden, in dem ich leben darf. Dass es während meines Spazierganges nicht regnete. Dass ich noch nicht den Herbstschnupfen erwischt habe. Für das freundliche Wort der Kassiererin im Supermarkt. Das hebt nachgewiesenermaßen die Stimmung!

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Das Einrollen in eine Decke oder in-den-Arm-Nehmen eines Kissens zum Einschlafen scheint nicht wenigen Frauen ebenfalls ein kuscheliges Geborgenheitsgefühl zu geben. Man spricht ja eher nicht darüber: ich war erstaunt als ich merkte, bei wie vielen Frauen in Bettnähe ein Kuscheltier oder eine Puppe (vielleicht aus der eigenen Kindheit) wohnt!

Schön eigentlich, dass auch das Umarmen bei einer Begrüßung oder Verabschiedung heute viel verbreiteter ist als früher. Vielleicht sollten wir uns alle öfter an kleine kuschelige Gesten trauen, jemanden sacht am Oberarm berühren. Kurz die Hand auf die Schulter legen.

Vielleicht könnten wir das sogar mit uns selbst tun: die Geste, sich selbst auf die Schulter zu klopfen, wenn wir etwas gut hingekommen haben. Sich selbst beruhigend zu streicheln, indem ich mit einer Hand sanft den Bereich über meinem Brustbein reibe. Oder sich selbst in den Arm zu nehmen.

Ich bin überzeugt: je mehr Freundlichkeiten ich in die Welt bringe, desto mehr kommen zu mir zurück. Das kann ein freundlicher Gruß mit einem Augenkontakt auf der Straße sein. Ein Wunsch für die Verkäuferin auf einen verdienten schönen Feierabend. Ein Tempo, das ich einem anderen Fahrgast reiche.

Ist das nicht ein Kuscheln zweiter Klasse? Vielleicht. Tatsächlich ist es vermutlich glücksbringender, sich die Kuscheleinheiten von einem geliebten Menschen angedeihen zu lassen. Aber ich behaupte jetzt einfach mal: selbst wenn der Genuss nicht identisch ist: immer noch besser als völlig darauf zu verzichten.

In diesem Sinne: Die Heizung wird jetzt eingeschaltet. Mir zuliebe. Und auf dem Weg dahin hole ich mir gleich noch die Pomade gegen meine trockenen Lippen. Mir zuliebe.

Frauen, seid lieb zu euch selbst! Erst recht, wenn ihr allein lebt!

Liebe Grüße

Sybille

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