Meine Basis, meine Wurzeln, was mich stärkt und in meiner Mitte hält – Gastartikel Sybille Herold

Gastartikel Sybille Herold auf diealltagsfeierin.de

Und wieder einmal hatte ich Lust, Bettinas Einladung anzunehmen, mit euch zu teilen, wie ich mich dem Thema „Meine Basis, meine Wurzeln, was mich stärkt und in meiner Mitte hält“ angenähert habe. Da ich gern kreativ bin, habe ich nicht nur mit meinem Kopf gearbeitet, sondern versucht, Bilder dafür zu finden. Vielleicht folgt ihr mir auf meinem Weg durch die einzelnen Phasen und schaut einmal, was es bei euch so ist.

Meine Basis, meine Wurzeln, was mich stärkt und in meiner Mitte hält - Gastartikel Sybille Herold auf diealltagsfeierin.de

Was sind meine Wurzeln?

Ich verstehe darunter zunächst einmal meine Ahnen, vor allem meine Eltern und meine 6 Jahre jüngere Schwester. Schon die Position in der Geschwisterreihe hat ja Einfluss auf die sich bildende Persönlichkeit. Wenn ich nachlese, welche Eigenschaften für Erstgeborene typisch sind, so erkenne ich mich in ziemlich allen. Ich nehme eine Sache gern selbst in die Hand, bin gut organisiert und verantwortungsbewusst.

Die Vorfahren

Hinter den Eltern steht natürlich eine unendliche Anzahl weiterer Personen: die Eltern wurden von deren Eltern geprägt und diese wiederum von den Generationen davor. Meine Eltern gehörten z.B. zu den sog. Kriegskindern, die seelisch nur überleben konnten, indem sie ihre Gefühle abschalteten. Meine Mutter (geboren 1929) wurde mit ihrer Schulklasse immer wieder nach Polen evakuiert und lebte dort bis zu einem Jahr lang, betreut von der Lehrerin, Fräulein Scholz. Nahezu ohne Nachricht von den Eltern im fernen Berlin. Die Mutter meiner Mutter war vermutlich depressiv (Ich habe keinerlei Erinnerungen an sie, obwohl ich die ersten beiden Lebensjahre und später noch einmal 9 Monate in meinem fünften Lebensjahr bei ihr lebte. Sie verstarb, als ich 7 Jahre alt war.) Deren Mutter hatte – so die Legende – den Kindesvater kurz nach der Hochzeit „entsorgt“. Sie arbeitete als leitende Verkäuferin in einem großen Kaufhaus an ihrer Karriere, würde man heute sagen. Die Tochter gab sie zunächst zu Pflegeeltern. In Briefen der Tochter ließ sich die Mutter mit „Frau W.“ anreden. Später bekam die Tochter einen Papagei, damit sie nicht immer so allein sein musste.

Die gedankliche Familienbibliothek

Von meinen Eltern habe ich mir in meiner Kindheit und Jugend viel abgeschaut, wie man so durchs Leben kommen kann. Ich stelle mir manchmal vor, es gäbe eine Familienbibliothek. Die enthält Bücher unter anderem zu den Themen „Alles über Frauen“, „Alles über Männer“, „Wie führt man eine Ehe“, „Über den Umgang mit anderen Menschen“. An diesen Büchern haben alle meine Vorfahren mitgeschrieben. Sie enthalten viele Glaubensätze, die – unbewusst und bewusst – in mir bis heute aktiv sind und mitbestimmen, wie ich die Welt sehe und interpretiere. Im Buch über Männer steht nicht so viel Gutes. Auch die Mutter meines Vaters soll sich am 2. Tag nach der Hochzeit getrennt haben als sie von einer anderen Frau erfuhr. Und zur Aufklärung gehörte der Satz meiner Mutter „Männer tun das. Das muss man ertragen!“ Diese Glaubenssätze kann ich untersuchen und für mich entscheiden, von welchen ich mich verabschieden will.

Meine Eltern haben mich erzogen (ja damals tat man das noch, was heute oft verpönt ist). Jedenfalls sind sie wie die heutigen Eltern auf eine bestimmte Art und Weise mit mir umgegangen, beim Essen, Schlafen und Spielen. Wenn ich nach einem Konflikt lange schluchzen musste, hieß es, ich solle „das Böckchen in die Toilette spucken“. Das ist eine meiner frühesten Erinnerungen. Vor dem Teller mit Spinat saß ich oft bis zum Abendessen. Es war ihnen immer wichtig, „was die Leute denken.“

Erbanlagen, Stärken und Schwächen

Zu den Wurzeln gehört für mich jedoch auch alles, was ich bei meiner Geburt in diese Welt mitgebracht habe. Das sind meine Erbanlagen, die meine Potenziale und meine Schwächen mitbestimmen. Die mein Aussehen bestimmen (Ja, „schöne“ Menschen haben es nachweislich in manchen Dingen leichter!) Die mitbedingen, für welchen Krankheiten ich ein erhöhtes Risiko habe. Die mein „Temperament“ festgelegt haben, d.h. die Sensibilität meines Nervensystems, wie schnell und wie stark es auf Gegebenheiten reagiert. Dies hängt jedoch zusätzlich davon ab, wie die Schwangerschaft meiner Mutter und die Geburt verliefen. Ich wurde als sogenannte Zangengeburt z.B. schneller auf die Welt geholt als ich es gewollt hätte. Ich habe später immer wieder zu hören bekommen, dass ich ein Sensibelchen und überempfindlich sei.

Auch dadurch bilden sich Verhaltenstendenzen oder Muster heraus, wie ich durch mein Leben gehe: z.B. das allgemeine Ängstlichkeitsniveau, ob ich intro- oder extrovertiert bin, wie leicht oder schwer mir das Lernen fällt.

Familiäre Lebensumstände

Und es gab Lebensumstände. Meine Mutter wollte ihre Arbeit im öffentlichen Dienst nicht aufgeben und gab mich, weil es keine Krippe gab, zu meiner Oma. Meine Eltern lebten in einem kleinen Zimmer zur Untermiete. Dort habe kein Kinderbett hineingepasst. Also übernahm die Oma meine Versorgung komplett. Bis ein Arzt nach zwei Jahren feststellte, dass sie damit völlig überfordert war.

Als ich vier Jahre alt war, kam meine Mutter für ein Dreivierteljahr in eine Klinik. Sie hatte TBC, eine große Lungen-OP und es stand auf Leben und Tod. Besuche waren verboten. Ich kam wieder zur Oma und halbtags in den Kindergarten. Natürlich ohne Eingewöhnung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass damals jemand meine Ängste wahrgenommen und sich ihrer angenommen hätte. Ich spürte jedoch sicher die große Sorge der Oma um ihre Tochter.

Meine Familie lebte in der Großstadt Berlin. Im Ostteil. Eine sogenannte normale Mittelschichts-familie. Eine normale Ostsozialisation. Mit kommunistischen Großeltern väterlicherseits, dem Großvater, der unter Hitler zweimal wegen Widerstands im Zuchthaus saß und dann – Gott-sei-Dank – als wehrunwürdig eingestuft wurde.

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Der Lebensweg

Aus diesen Wurzeln entwickeln sich das Pflänzchen namens Selbst-Wert-Gefühl sowie das Pflänzchen des Urvertrauens, also des Vertrauens in uns selbst (dem sogenannten Selbstvertrauen), in andere Menschen und in das Leben im Allgemeinen. Das Selbstwertgefühl unterscheidet sich von unserem Selbstbewusstsein, also dem Bewusstsein über unsere Stärken und Kompetenzen. Es umfasst ein grundlegendes Gefühl des eigenen Wertes, liebenswert zu sein und auf der Welt willkommen zu sein. Okay zu sein, so wie man gerade ist. Gut genug zu sein. Psychologen sagen, dass diese beiden Grundgefühle in den ersten Lebensjahren angelegt werden und im späteren Leben entscheidend mitbestimmen, wie es uns gelingt, ein zufriedenes und erfülltes Leben zu gestalten und mit Herausforderungen umzugehen, wie resilient wir einmal sein werden.

Damit ausgerüstet beschreiten wir unseren weiteren Lebensweg, der das bisher Angelegte überschreiben und umformen, aber es nie völlig ausradieren kann.

Kindheit

Wir werden Zuhause groß und haben auf dem Hof oder auf dem Feld die ersten Freunde und lernen andere Familien kennen. Oder wir sind in einer Kindereinrichtung mit einem speziellen pädagogischen Ansatz.

Wir kommen in die Grundschule und müssen uns vielleicht erstmals in einer nicht selbst gewählten Gruppe von Kindern zurechtfinden. Wir lernen permanent, angeleitet und quasi im Spiel. Uns begegnen Leistungsanforderungen, die wir bewältigen müssen. – Ich habe damals schnell entdeckt, dass ich durch gute Noten meine Eltern glücklich machen konnte.

Freundeskreis und andere Bezugspersonen

Unsere FreundInnen werden immer wichtiger für uns; oft sind wir Teil einer Kinder- und später Jugendlichenpeergruppe. Wir entwickeln und pflegen Freizeitinteressen und begegnen auch dort immer mehr Menschen, die Einfluss auf uns haben. Der Trainer, die Pfarrerin, die Musikschullehrerin, der Chef der Jugendfeuerwehr. – Meinen Eltern waren die schulischen Leistungen immer wichtiger als Freundschaften, und sie schränkten Kontakte stark ein.

Dieser Prozess setzt sich an der weiterführenden Schule fort. In der Pubertät durchlaufen wir wichtige innerliche und äußere Veränderungen, sind darüber aufgeklärt oder auch nicht. Ich hatte meine Menarche mit gerade mal 10 Jahren. Damals bedeutete das, nicht mitturnen zu müssen. Auch ein Outing, und die meisten meiner Mitschüler hatten keine Ahnung, welche „Krankheit“ ich da hatte. Nun fiel ich nicht mehr nur durch meine weiblichen Körperformen aus der Gleichaltrigengruppe heraus. Wir begegnen der ersten Liebe. Der ersten Enttäuschung.

Traumatisierungen

Auf unserem Lebensweg kann es jederzeit zu Traumatisierungen kommen. Man unterscheidet Beziehungstraumen wie bei mir. Entwicklungstraumen bei unzureichender Förderung und Versorgung. Und sogenannte Schocktraumen: ein Unfall, Mobbingerfahrungen, Todesfälle, Gewalterfahrungen. Manchmal entsteht daraus eine therapiebedürftige Traumafolgestörung. Zumindest prägen uns diese Erfahrungen entscheidend. Wenn wir sie nicht aufarbeiten und integrieren, können wir immer wieder durch ähnliche Situationen getriggert werden, d.h. wir reagieren dann auf eine Erfahrung überdurchschnittlich stark. – Zur Verarbeitung dieser Erlebnisse kann es jedoch auch gehören, dass jemand bewusst einen Beruf wählt, bei dem er anderen Menschen bei ihrer Verarbeitung des Geschehens helfen kann. Bei mir führte dies dazu, dass ich später Kindertherapeutin geworden bin.

Berufswahl

Eine große Rolle auf dem Lebensweg spielt die Berufswahl, die entscheidend unsere Erfahrungen in diesem Bereich und damit zumeist in einem sehr großen Zeitanteil unseres Lebens bestimmt. Wir können uns dadurch selbstwirksam fühlen, mit dem Gefühl, das Leben lenken und gestalten zu können oder als Opfer, hilflos und ausgeliefert. – Ich habe verschiedene Bereiche entdecken können: die Arbeit im öffentlichen Dienst. Die Gründung des Vereins Kindheit e.V. und die Tätigkeit in der Beratungsstelle dieses Vereins. Die Arbeit im Team. Und die Arbeit als Selbständige in eigener Praxis, als Dozentin, Buchautorin und Supervisorin.

Das Umfeld

Menschen und unsere Beziehungen zu ihnen stärken uns und oder fordern uns heraus. Ob KollegInnen und ChefInnen, PartnerInnen samt ihren Familien und ggf. mitgebrachten Kindern. Aber auch SpeakerInnen, InfluencerInnen, Bücher, Podcasts und Blogs, die uns Impulse in die eine oder andere Richtung geben können. Für mich war die Entdeckung von Veit Lindau, Verena König und Stefanie Stahl beispielsweise Motor für einen tiefgehenden Erkenntnis- und Entwicklungsprozess.

Weltgeschehen und mehr

Und dann gibt es noch die Ereignisse in der Welt, im Land, im Ort, im Haus. Krankheiten und Pandemien. Arbeitslosigkeit und Lottogewinn. Pflegebedürftige Angehörige. Überflutungen und den tollsten Urlaub ever. Erfolge und Niederlagen. Glücksmomente, wenn der abbrechende Ast neben mich statt auf meinen Kopf fällt. Pechsträhnen mit dem Gefühl, alle Geister dieser Welt hätten sich gegen einen verschworen. Und dann die Dinge, die einem das Universum einfach so in den Schoß zu werfen scheint. Wir sammeln einen Schatz von schönen Erinnerungen, die uns in nicht so leichten Zeit Kraft spenden können.

Beständiges Lernen

Während dieses Lebenswegs lernen wir ohne Ende. Wir können stärker werden, aber auch scheitern. Das Leben als ein buntes Spiel erleben, als eine Mischung aus aktivem Gestalten und Herumgeschubst-Werden. Wir können es staunend betrachten wie ein großes, unendlich erscheinendes Puzzle. – Ich habe dies, mit meinen nun 68 Jahren, in den letzten Wochen getan. Ich habe meine alten Tagebücher durchgelesen, Erinnerungskisten ausgemistet und Fotoalben durchgeblättert. Ich habe gestaunt, wie alles zusammenhing. Wie bunt mein Leben bis heute ist. Aber auch, wie sich die Geschichte, die ich noch vor einem Jahr über mein Leben erzählte, doch an einigen Stellen deutlich von der unterscheidet, die ich heute erzählen würde. Wie sehr unsere Erinnerungen kein Status Quo sind, sondern Prozesse, die sich mit jedem Aufgerufenwerden entwickeln. Ich bin überzeugt davon, dass das Bewusstsein darüber, das Verständnis, warum ich heute so und nicht anders bin, denke, fühle und handle, mein Leben nicht nur reicher, sondern an vielen Stellen auch einfacher macht und mir hilft, meinen Weg zu gehen.

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Selbstfürsorge

Ein wichtiges Mittel, mich immer wieder in meiner Mitte auszubalancieren, ist für mich Selbstfürsorge. Ich halte im Alltag immer wieder kurz inne und frage mich: Was fühle ich? Wie geht es meinem Körper gerade?  Was denke ich? Was brauche ich jetzt gerade? Einen Tee, einmal tief durchatmen, einmal genüsslich räkeln. Ich versuche, meinem Körper so viel Gutes zu tun, wie möglich: an Nahrung, an Bewegung, an Pflege, ja, auch an Streicheleinheiten z.B. beim Eincremen.

Außerdem achte ich darauf, mich so zu verhalten, dass nichts einem gesunden und erholsamen Schlaf im Wege steht. Ich gönne mir Pausen. Ich versuche, mich sinnvoll zu erholen: war ich körperlich im Garten aktiv, tut mir eine halbe Stunde Lesen im Liegestuhl gut. Habe ich gerade länger am PC gearbeitet, geht’s runter in den See schwimmen. Ich achte darauf, nicht zu lange den Verlockungen von YouTube oder Facebook zu erliegen, weil das für mein Gehirn nicht gut ist. Kurz gesagt: Ich tue mehr von dem, was mir guttut und weniger von dem, das mir nicht guttut. Das gelingt mir natürlich nicht immer konsequent. Aber ich bin milde mit mir. Und wenn es einen Tag nicht so gut geklappt hat, starte ich am Folgetag neu.

Selbstfürsorge für die Seele

Dann gibt es noch den Teil der Selbstfürsorge, der vor allem die Seele betrifft. Einmal am Tag schaue ich mir an, was in der Welt und im Land so los ist, nicht mehr und nicht weniger. Ich bremse meinen Mann, der mir gern alle schlechten Nachrichten des Tages unterschieben will. Ich arbeite daran, meine sozialen Netzwerke zu stärken und weiterzuentwickeln. Wer tut mir gut, wer weniger. Kann ich letzteres ändern? Kann ich Wünsche formulieren, was für mich besser wäre. Von wem verabschiede ich mich besser. – Dazu gehört auch, meinem Muster entgegenzuwirken, immer zuerst auf das Negative zu schauen. Mir geht es nicht gut oder schlecht. Ein Urlaub, ein Film, ein Tag ist nicht schön oder doof. Meist ist alles ja ein buntes Potpourri aus Schönem und Missglücktem oder Ärgerlichem.

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Meine Spiritualität

Ich bin wie die meisten Ostkinder nicht christlich erzogen worden. Und auch nach 35 Westjahren nicht sehr esoterisch unterwegs. (Doch, das Rauhnachtritual habe ich auch in diesem Jahr zelebriert.) Aber mich bewegen immer wieder Themen wie „Wer bin ich?“ „Woher komme ich?“ und „Was kommt nach dem Tod?“ Diese Themen habe ich erst in den letzten Jahren für mich entdeckt. Ich nutze einen Kalender mit Tagesimpulsen und natürlich auch Angebote diesbezüglich aus dem Internet, um mir selbst immer wieder diese und ähnliche Fragen zu stellen und mir damit mein eigenes Weltbild zusammenzubasteln. Das führt mich unter anderem immer wieder zu der Frage, was der Sinn meines Lebens ist oder welchen Sinn ich ihm geben möchte.

Ein inneres Bild

Hier ein Bild, das mich gerade beschäftigt: Ich bin wie ein Tropfen im Ozean Part des großen Universums, des großen Ganzen. Ich erhalte permanent Impulse durch die anderen Wassertropfen, die mich quasi liebevoll (oder eben auch nicht) hin- und herschubsen. Das treibt mich auf meinem Lebensweg voran. Somit muss ich mich wohl auch von der feinen Idee der Freiheit und Selbstbestimmtheit verabschieden, denn jede vermeintlich frei getroffene Entscheidung ist letztendlich das Ergebnis der Millionen „Schubser“, die ich zuvor erhalten habe. Und auch jeder Mensch, der mich „anstößt“, tut es als Ergebnis seiner Impulse durch andere. Ich weiß noch nicht, ob sich das für mich eher gut anfühlt oder bedrohlich.

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Meine Werte

Im Laufe meines Lebens haben sich meine Werte herausgebildet, Maxime, die mein Handeln entscheidend mitbestimmen können. Und die sozusagen ein inneres Navi darstellen für meine Entscheidungen, mich so oder anders zu verhalten. Mir war es wichtig, mir dieser Werte bewusst zu werden und immer wieder zu überprüfen, ob ich noch in der richtigen Spur bin. Wenn ich mir ihrer bewusst bin, geben sie mir Halt in meinem Leben.

Für mich sind das zum Beispiel:

  • Gerechtigkeit und Fairness
  • Ehrlichkeit und Authentizität
  • Mitmenschlichkeit
  • Familienzusammenhalt
  • Verbundenheit mit mir, anderen Menschen und der äußeren Welt
  • Schönheit
  • Gewaltfreiheit

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Tools 

Es gibt vermutlich keinen Menschen auf diesem Planeten, bei dem sein gesamtes Leben perfekt, reibungslos und nur förderlich verlaufen ist. Wir haben also alle unsere Altlasten im Lebensrucksack. Schlagen uns immer wieder mit Schatten der Vergangenheit herum. Wir können unsere Geschichte nicht wunschgemäß umschreiben. Damit unser Leben davon nicht allzu sehr verkompliziert wird, damit wir ein zufriedenes und erfülltes Leben führen können, benötigen wir einen Werkzeugkoffer, den wir laufend ergänzen können.

In den letzten Jahren habe ich mich viel damit beschäftigt, welche Tools ich brauche, um gut durch dieses immer schneller und komplexer werdende Leben zu kommen. Die Herausforderungen, die das Leben mit sich bringt, werden in den kommenden Jahren eher noch anwachsen. Dabei können mir folgende Tools helfen:

  • Achtsamkeit (Mich immer wieder mit dem Hier und Jetzt zu verbinden. Nicht nur Nahrung aufzunehmen, sondern sie mit allen Sinnen zu genießen. Nicht zu viel Multitasking, mich mehr auf eine Sache zu konzentrieren.)
  • Stillemomente und Meditation (Um das Gehirn zu entlasten. Um der Intuition besser zuhören zu können. Um meinen Körper zu entspannen.) Mit der klassischen Mediation tue ich mich oft schwer. Aber ich erreiche meditative Zustände beim Schwimmen im See, Stricken und Malen.
  • Übungen zur Nervensystemregulation. (Dazu hat Verena König viele Anregungen. Atemübungen.)
  • Journaling (Um mehr Bewusstheit zu erreichen, schreibe ich viel. Ich habe ein Abendritual, das mir oft in den Schlaf hilft: Was habe ich heute erlebt? Was habe ich getan? Was ist mir gut gelungen? Was war schön? – In mein Tagebuch kommen meine Gedanken und Überlegungen zu bestimmten Themen. Kurzfassungen zu Podcasts und Workshops nach dem Motto: Was bedeutet das Gehörte konkret für mich und mein Leben?)

Mich immer besser zu verstehen

Für mich ist es ein wichtiger Prozess gewesen (und wird sicher erst aufhören, wenn ich einmal gegangen bin), zu verstehen, warum ich mich verhalte, wie ich mich verhalte. Ein Selbst-Verständnis. Viele Themen sind über die Jahrzehnte immer wieder aufgeploppt. Ich habe mich schließlich auch viel beruflich damit beschäftigen müssen. Ich habe gerade das Gefühl, sie jetzt erst wirklich auf einem neuen Level verstehen zu können. Und jetzt erst Kraft und Zeit zu haben, so manchen „Knoten“ lösen zu können.

Wenn ich mit meinen inneren Anteilen arbeite. Natürlich besonders mit den inneren Kindern (ja, bei mir sind es mehrere). Wenn ich mir meine Schatten immer wieder anschaue und lerne, sie zu integrieren. Wenn ich meine traumatischen Prägungen akzeptiere und beginne, sie zu heilen. Oder wenn mir das Enneagramm hilft, meinen Persönlichkeitstypus besser zu verstehen. Jetzt ist mir klargeworden, warum mir Zuverlässigkeit und Regeln so wichtig sind. Warum mich bestimmte Situationen triggern, also übermäßig stark emotional ansprechen. (Bei mir sind dies beispielweise Dreiersituationen.) Warum ich immer viel zu viel gearbeitet habe. Warum ich mit Ablehnung immer noch schlecht umgehen kann…

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Resilienz

Aus all den genannten Komponenten hat sich eine Grundresilienz wie ein Schutzschild um mich herum herausgebildet. Resilienz meint die Kraft meiner Psyche, mit Anforderungen, Stress und Belastungen umgehen zu können. Ja, ich werde manchmal noch getriggert, wenn auch weniger oft und nicht so stark. Aber ich kann das heute relativ schnell einordnen und mich wieder regulieren. Ja, ich komme immer wieder in die Versuchung, mich prophylaktisch zu sorgen. Das konnte ich schon immer gut. Heute kann ich die Berechtigung meiner Sorge überprüfen. Ich kann die Sorgengedankenkreise schneller stoppen. Ich kann mir sagen: Ja, da könnte etwas für mich Unangenehmes passieren. Könnte, muss aber nicht. Und wenn es tatsächlich eintritt, werde ich eine Lösung finden.

Ich bin viel seltener in der Opferrolle und schaue immer stärker einerseits nach dem Sinn oder dem Positiven in einer Situation. Und wende mich andererseits meiner Selbstverantwortung zu, und der Frage, wodurch ich am ehesten etwas ändern kann. Ich bin milder mit mir, denn es stimmt tatsächlich: ich habe mein Bestes gegeben. Ich bin gut genug.

Das Ganze liest sich sicher ganz einfach. Es tatsächlich anzuwenden und umzusetzen, das war bei mir ein lebenslanger Prozess. Entscheidende Fortschritte habe ich erst in den letzten Jahren dabei gemacht, obwohl ich schon zuvor vieles wusste und „gepredigt“ habe. Erst jetzt habe ich die Zeit. Erst jetzt habe ich ein Netz von Freundinnen, mit denen ich viel darüber sprechen kann. Und auch erst jetzt habe ich die Reife, diese Dinge nicht nur zu verstehen, sondern auch zu fühlen.

Nur Mut. Du kannst das auch. Es lohnt sich!

Liebe Grüße

Sybille

P. S. Weitere Artikel von Sybille findest du hier und hier.

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4 Kommentare

  1. Sehr berührende Geschichte
    danke fürs Teilen
    Liebe Grüße Tarami

  2. Ein großes Dankeschön von Herzen für diesen wunderbaren Text ….so viel gute Wasser-Stupser !!!

  3. Danke liebe Sybille, für diese Reise von den Wurzeln durch dein Leben. Es hat mich sehr berührt, wie stark und doch zart deine Worte hier für dich stehen.

  4. Danke für Deinen Mut und Deine Offenheit, Fremde an Deinen Erfahrungen und Gedanken teilhaben zu lassen 🙏

Kommentare sind geschlossen.